Wenn man in den Philippinen unterwegs ist  und andere Reisende trifft, kommt zuverlässig im Gespräch die Frage „gehst du nach Palawan oder Siargao?“ Meine Antwort in dem Fall war Siargao, nachdem mir ein halbes Dutzend Backpacker von dieser Insel vorgeschwärmt hatten. Es sei ein entspanntes Surferparadis mit atemberaubender Natur. Na gut, dachte ich mir, gehe ich halt mal zwei Wochen da hin. Ich habe ja Zeit und nichts Besseres zu tun, gell 😎


Das war eine sehr gute Entscheidung. Es stimmt, was die Leute sagen. Es ist paradisiesch dort. 


Schaut euch das an


Siargao ist eine heisse, feuchte Insel ganz im Osten des Landes (die nächste grössere Inselgruppe in diese Richtung ist Hawaii). Die Insel ist komplett mit einem dichten Palmenwald bedeckt, was ich so noch nie gesehen habe und wunderschön aussah. Durch die grüne Vegetation schneiden sich roadtrip-taugliche Strassen, vorbei an herzigen Dörfli und felsigen Küstenstreifen. Überall rennen Kinder draussen rum, die Kleinen spielen Fangis, die Grossen Basketball. Das Leben ist gut.


Und dann gibt es General Luna, quasi die Hauptstadt der Insel. Dieses Städtchen mit dem hübschen Namen ist der Mittelpunkt der Surfszene, entsprechend sind die Menschen dort jung und schön, die Säfte sind kalt gepresst und die Breakfast Bowls vegan. Bei einem Eisbad präsentieren sich die Typen mit gestählten Surf-Körpern den Mädels mit gestählten Surf-Körpern. 


Cloud9, der Haupt-Surfspot


Was habe ich also dort verloren? Nicht viel, dachte ich zuerst. Denn in den ersten Tagen ahnte ich noch nicht, dass ich in nur wenigen Tagen zu einem krassen Surfer werde. Zwar keiner mit einem gestählten Körper, aber immerhin einer, mit einem Körper. Aber dazu später mehr.


Auch für einen schlacksigen Nicht-Surfer wie mich gibt es einiges zu tun, dort in General Luna. An der angemessen benannten Tourism Road gibt es dutzende erstaundlich gute Restaurants, und solide Bars und Clubs. Es gibt hervorragende Smash Burgers, Fish Tacos und Ceasar Salads. In einer kartell-mässigen Absprache haben die Clubs entschieden, dass an jedem Abend nur in genau einem oder maximal zwei  Etablissements eine grosse Party steigt, wo dann jeder Hinterletzte hingeht. Aber auch diese Parties sind erstaunlich gut. Und weil man immer wieder dieselben Gesichter sieht, stellt sich nach zwei bis drei Abenden ein wohliges Gemeinschaftsgefühl ein.


Bisschen hängen auf der Sunset Bridge


Ich habe viele coole Leute kennengelernt, z.B. Robin und seine gleichnamige Freundin Robin aus Holland. Ich bin immer wieder in die beiden reingelaufen, in allen Ecken der Insel, und wir hatten immer den Plausch. Am lustigsten sind aber die filipinischen Touristen, die in grossen Gruppen anreisen und richtig einen anzünden. Diese Gruppen sind wie Gravitationszentren für eine gute Zeit. Wenn man als Alleinreisender an so einem Strudel vorbeiläuft wird man unwiderruflich in die Party hineingezogen und erst nach 6 Stunden wieder rausgespuckt, betrunken, happy und mit 12 neuen Follower-Requests im Instagram-Account. So ist es mir ergangen mit Mike und seiner Gang. Mike ist kein Kind der Traurigkeit. Als filipinischer Krankenpfleger, der in Norwegen wohnt, hat er 109 Länder bereist (Schweiz? „teuer“, Frankreich? „Bonjour“, sein Lieblingsland? „Serbien“). Und angeblich spricht er neben Tagalog, Englisch und Norwegisch auch Kantonesisch, Arabisch und Urdu, aber das habe ich ihm nur so halb geglaubt.


Ich hatte aber nicht nur eine gute Zeit in Siargao. Am dritten Tag oder so habe ich einen ranzigen Mahi Mahi zum Zmittag gegessen. Der gemeine Fisch hat mir dann die nächsten paar Tage vermiest. Die Magen- und Kopfschmerzen konnte ich noch aushalten, aber dass ich drei Tage lang keinen richtigen Appetit hatte, war nicht okay. Dazu kam, dass ich während meines Struggles mit dem Lunch-Fisch im schäbigsten Hotelzimmer meiner bisherigen Reise hauste. Ein fensterloses Zimmer mit harter Matratze und grellem Licht, wo regelmässig die Klimaanlage aussetzte, so dass ich mehrmals pro Nacht klatschnass und verwirrt aufgewacht bin. 


Kein Strom, dafür schön farbiges Wasser


Das mit dem Strom ist so eine Sache auf der Insel. Der fällt nämlich regelmässig flächendeckend aus, teilweise einen ganzen Tag lang. Das wurde irgendwann bisschen mühsam, zum Beispiel als ich meine Fotos in die Cloud laden oder ein paar dumme YouTube-Videos anschauen wollte. Und das Internet - und dann bin ich fertig mit Motzen - war bemerkenswert dünn. Sowohl das Roaming als auch die Wifi-Spots waren unterirdisch, mit Ausnahme der zwei Hotels, die Elon Musks StarLink ansaugten (was natürlich aggressiv beworben wurde).


Aber man geht ja nicht nach Siargao, um durchs World Wide Web zu surfen, sondern um auf den pazifischen Wellen zu reiten. (Ich akzeptiere per sofort Nominierungen für Journalistenpreise). 


So cool sah ich nicht aus


Im letzten Blogpost habe ich geschrieben, Surfer seien gemein. Das war gelogen. Die Surfer auf Siargao sind sehr coole Socken. Ich identifiziere mich ja als Kitesurfer (die uncooleren Cousins der Wellensurfer, wenn man ganz ehrlich ist), aber ich sagte mir dann, dass ich eigentlich schon einen Surfkurs machen musste. Wenn ich schon da bin.


Und es hat mir verdammt viel Spass gemacht. Anders als beim Kitesurfen ist das Wellensurfen relativ plug-and-play. Einfach das grösstmögliche Brett nehmen und dem Surflehrer nachpaddeln. Der bugsiert einem dann netterweise an den richtigen Ort und schubst einem in die passende Welle rein. Da ich nicht zum ersten Mal auf einem Brett stand, konnte ich doch relativ schnell auf dem Siech balancieren, und es war ein Heidenspass. Ich durfte dann auch zügig auf ein kleineres Brett wechseln und in grössere Wellen reinpaddeln, was noch viel spassiger war. Ich habe einige grössere Wellen gecatcht (so sagen wir Surfer das), und hatte ein paar lange Rides. Ich bekam sogar ein Kompliment von einem spanischen Surfer mit gestähltem Surfer-Körper.


Viermal stand ich zwei Stunden auf dem Brett. Die ersten zwei Sessions absolvierte ich im Norden, in Pacifico. Dort hat mich der Mann der Managerin meines AirBnB unter die Fittiche genommen, ein etwas in die Jahre gekommener, knorriger Sufer namens Loloy. Loloy war der Capo der San Isidro Surf Crew (achtung, nicht die Pacifico Surf Crew, das sind nämlich Loser). Neben Loloy (lokale Sprache für „grosser Bruder“), lernte ich Legenden kennen wie Djungle („er kommt aus dem Dschungel“), Sparrow („der filippinische Jack Sparrow“), „Kids Boy“ (Herkunft des Namens unkar) und Nick („einfach Nick“). Diese Jungs waren alle Surflehrer, doch sie hatten nicht viel Business. Darum hingen sie die meiste Zeit in einer Schenke und teilten sich eine grosse Flasche San Miguel Pilsen. Das Bier wird traditionellerweise aus einem einzigen Glas getrunken, das im Kreis rumgereicht wird. Und wenn man in diesem Kreis sitzt, dann trinkt man mit. Auch nach meiner Early Morning Surf-Session hockten wir im Kreis. Das erste Glas machte die Runde. Es war 8.30 Uhr. 


Die Jungs aus San Isidro


Das ist im Nachhinein natürlich etwas traurig, da die Jungs klar ein Alkoholproblem hatten. Aber eine meiner Lieblingserinnerungen ist mein Tag, den ich mit Loloy verbracht habe. Ich musste eigentlich mit dem Roller von Pacifico zurück nach General Luna, aber ich steckte fest wegen eines heftigen tropischen Regens. Ich war drum mit Loloy unterwegs, und es dauerte etwa 4 Stunden, um im Dorf etwas Bargeld zu holen und auf der Strasse ein saftiges grilliertes Poulet zu essen, weil uns der Regen immer wieder unter ein improvisiertes Wellblechdach zwang. Als der Regen endlich aufhörte, waren wir eng verbrüdert und der Anschied fiel schwer. Ich fuhr, nur in Badehosen und Helm bekleidet, die 45km zurück nach General Luna.


Im Gegensatz zu den verlebten Surfer im Norden waren meine Surflehrer in General Luna quietschfidel. Der eine Lehrer, Jay, war buchstäblich halb so alt wie ich und war nicht nur ein tadelloser Surfer mit endloser Energie, sondern teilte nach dem Surfen auch stoische Weisheiten aus („even if you have a bad day, you can find something positive in it“). Jay hat es verstanden.


Meine Session mit Jay war an meinem letzten Tag. Es war mein letzter Tag nicht nur in Siargao, sondern auf den Philippinen. Wir surften in Ocean9, einem paradisischen Spot etwas nördlich von General Luna. Wir paddelten, lachten und dümpelten im seichwarmen Wasser, auf die nächste brauchbare Welle wartend, während hinter uns die Sonne unterging. Es war der perfekte Tag.


Letzter Sonnenuntergang. Hätte nicht besser sein können.


Es ging mir so gut, dass ich erst am späten Abend gemerkt habe, dass ich am selben Tag sowohl meinen Roller retournieren als auch meine Kleider in der Wäscherei abholen musste. Ich habe dann beides noch kurz vor knapp hingebogen, mit Hilfe der netten Receptionistin meines Hotels. So gut ging es mir.


Jemand dummes hat mal gesagt, man soll dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Das stimmt natürlich nicht. Ich hätte gerne noch so weitergemacht in Siargao.  Bisschen Surfen, bisschen Gaudi im Siargao Beach Club, bisschen Smash Burger essen, bisschen Stromausfall haben. Aber ich hatte meinen nächsten Flug bereits gebucht. 


Auf dem Weg quer durch die Insel


Das war also meine Zeit in den Philippinen. Einen Monat durfte ich durch das Land reisen, mein drittes Mal im Land seit meiner ersten Reise dorthin 2016. Und es bleibt eines meiner absoluten Lieblingsländer. Die Filipinos sind unbeschreiblich offenherzig, witzig und zugänglich. Und sie sind die einzigen Südostasiaten, die gut Englisch sprechen und dazu in einem Akzent, der einer der schönsten der Welt sein muss. Und ganz nebenei leben sie in einem Inselparadies mit den weissesten Stränden, den farbigsten Sonnenuntergängen, den süssesten Mangos. 


Alle Beweisbilder gibt es hier.